Krieg
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 919-938


I. Der K., die gewaltsame Austragung von Streitigkeiten durch Staaten od. staatl. organisierte Großgruppen, ist immer ein Übel.


1. Wie die Erfahrung zeigt, stürzt jeder K. Menschen ins Unglück.


a) In jedem K. werden Menschenkraft u. materielle Mittel zur Produktion von Waffen u. zur Zerstörung verwendet u. wird damit die Bevölkerung der kriegführenden Länder der Entbehrung ausgesetzt; werden Lebensraum u. Leben des Menschen geschädigt u. vernichtet; kommt bitteres Leid über Menschen. All diese Schäden sind durch die modernen Waffen ins Riesenhafte gewachsen. Atombombenexplosionen etwa zerstören Gebiete im Umkreis von vielen Kilometern u. machen sie unfruchtbar, verursachen gefährl. radioaktive Verseuchung, verschlechtern das biolog. Erbgut der Menschen und der übrigen Lebewesen. "Mit der Fortentwicklung wissenschaftlicher Waffen wachsen der Schrecken u. die Verwerflichkeit des K.es ins Unermeßliche. Die Anwendung solcher Waffen im K. vermag ungeheure u. unkontrollierbare Zerstörung auszulösen ... Ja wenn man alle Mittel, die sich schon in den Waffenlagern befinden, voll einsetzen würde, würde sich daraus eine fast totale u. gegenseitige Vernichtung des einen Gegners durch den anderen ergeben, abgesehen von den zahllosen Verwüstungen in der Welt, die dem Gebrauch solcher Waffen als verhängnisvolle Nachwirkungen folgen" (2. Vat. Konz., GS 80).


b) Dazu kommt die Erfahrung, daß der K. vielerlei Böses in den Menschen weckt: Er bringt sie dazu, sich über sittl. Hemmungen hinwegzusetzen u. Dinge zu tun, die sie sonst nicht leicht getan hätten; oft treibt er sie in Zwangslagen, aus denen sie sich keine anderen Auswege finden als solche, die dann ihr Gewissen bedrücken (vgl. Pius XII., UG 528 3687). Daß einzelne Menschen durch das Erleben des K.es sittl. ausreifen können, soll nicht geleugnet werden; dennoch: "Den K. provozieren zu wollen, weil er die Schule großer Tugenden u. eine Gelegenheit ist, sie zu üben, müßte als Verbrechen u. Wahnsinn erklärt werden" (Pius XII., UG 2368).


2. Die Ablehnung des K.es, der so viel Weh über die Menschen bringt, legt sich dem Christen von den Quellen seines Glaubens her auf. Wenn schon hochstehende Menschen außerh. des Christentums wie Senexa (Ep. 95,30 f) dem K. entschieden abgesagt haben, wurden christl. Denker noch mehr dazu gedrängt (vgl. Minucius Felix, Oct. 25,5; Lactantius, Div. Inst. VI 20,15 f; CSEL 2,36; 19,558).


a) Wohl scheint sich das NT dort, wo es kriegerisches Geschehen ausdrückl. erwähnt, der sittl. Bewertung des K.es zu enthalten. Dennoch läßt es den Menschen in dieser Frage ebensowenig im Stich wie in anderen Fragen, die ihn heute bewegen u. für deren Lösung er im NT zwar keine unmittelbare konkrete Auskunft, wohl aber Grundsätze u. Hinweise findet.

Auffallend stark betont das NT den Frieden: Seine Botschaft ist geradezu "Evangelium des Friedens" (Eph 6,15: vgl. 2,17; Apg 10,36). Der Friede ist der Inbegriff des messianischen Heiles (vgl. Lk 1,79; 2,14; 19,42). Zu diesem Heil, das für den Menschen Gabe u. sittl. Aufgabe zugleich ist (vgl. 2 Petr 3,14), gehört nicht nur der Friede zw. Gott u. den Menschen (Röm 5,1; Kol 1,20), sondern auch der Friede der Menschen untereinander (Hebr 12,14; vgl. Röm 14,19; Eph 2,13-19; 4,3-6; Kol 3,15). Solchem Friedensauftrag widerspricht der Kampf der Menschen gegeneinander.

Zwar dürfen manche Stellen des NT, die sich für ein Verbot kriegerischen Kampfes anzubieten scheinen, nicht überbeansprucht werden. Bei jedem Bibelwort ist ja zu unterscheiden zw. dem, was es den unmittelbaren Adressaten zu sagen hat, u. dem, was für alle bleibend gilt. So darf man etwa daraus, daß Jesus es ablehnt, von Petrus durch das Schwert vor der Gefangennahme bewahrt zu werden, "denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen" (Mt 26,52-54), wohl nicht mehr herauslesen als die Feststellung der Tatsache, daß häufig durch das Schwert umkommt, wer es ergreift, u. die Ablehnung des Kampfes in bestimmter Situation, da eben die Stunde zum Erlöserleiden gekommen ist. Zu fragen wäre allerdings, ob nicht damit ein zugleich konkretes u. abwandlungsfähiges Modell dargeboten wird, das eine bleibende Forderung enthält.

Wirksamer helfen zur Orientierung jene Stellen des NT, die eindeutig den Verzicht auf Gewalt fordern: "Ihr habt gehört, daß gesagt ist: 'Aug um Aug' u. 'Zahn um Zahn'. Ich aber sage euch: Widersteht dem Bösen nicht, sondern wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin, u. dem, der dich vor Gericht bringen u. deinen Rock nehmen will, dem laß auch den Mantel. Und wer dich nötigt, eine Meile weit (zu gehen), mit dem gehe zwei" (Mt 5,38-41). "Vergeltet niemandem Böses mit Bösem; seid vor allen Menschen auf das Gute bedacht. Soweit es mögl. ist u. es an euch liegt, lebet mit allen Menschen in Frieden. Rächet euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt dem Zorn (Gottes) Raum. Es steht ja geschrieben: 'Mein ist die Rache; ich will vergelten', spricht der Herr. Vielmehr, wenn dein Feind hungert, speise ihn, wenn er dürstet, tränke ihn. Denn wenn du dies tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute" (Röm 12,17-21). Dazu kommt das Gebot "Du sollst nicht töten!" (Ex 20,13; Dtn 5,17), das auch im NT in seiner Gültigkeit ausdrückl. anerkannt wird (Mk 10,19; Röm 13,9).


II. Obwohl eindeutige Gründe gegen den K. sprechen, ist es der Menschheit bis heute nicht gelungen, ihm gänzl. zu entrinnen.


1. Platon, Aristoteles, Cicero sehen nicht den K. als erstrebenswert an, sondern den Frieden. Platon hält ihn dennoch für ein notwendiges Übel, um dessen Anwendung der Staat manchmal nicht herumkomme (Leges 626 a - 628 c). Aristoteles wendet sich gegen das K.führen als Selbstzweck (Politica I 8,1256 b), nennt aber Gründe, die einen K. rechtfertigen (Pol. VII 14,1333 b - 1334 a). Cicero läßt den Weg der gewaltsamen Problemlösung zu, wenn der vorzuziehende Weg der Verhandlung nicht zum Ziel des Friedens geführt hat (De off. I 11,34; I 23,80).

Für die Christen wurde die Frage, ob man je einen K. unternehmen dürfe, nicht brennend, solange sie als einflußlose Leute dazu gar nicht fähig waren. Für manche von ihnen stellte sich die Frage, ob sie als einzelne Militärdienst leisten durften; da es die allg. Wehrpflicht nicht gab, konnten die meisten die Frage für sich dadurch praktisch lösen, daß sie dem Militärdienst fernblieben. Lactantius (Div. Inst. V 17,12 f, CSEL 19,454) u. Origenes (C. Cels. VIII 73, GCS 2,291) erklären, Christen dürften nicht an einem K. teilnehmen; Tertullian (De corona 11, CSEL 70,175 f) u. Hippolyt v. Rom (Constitutiones Eccl. Aegypt. XI 10 f) verwehren es den Christen, Soldaten zu werden. In der Begründung spielen die besonderen Gefahren des Soldatenlebens für Glauben u. sittl. Leben eine nicht unbedeutende Rolle. Als sich immer mehr Soldaten zum Christentum bekehrten, fragte man, ob sie als Christen Soldaten bleiben durften. Tertullian verneint dies einmal (De idol. 19, CSEL 20,53); ein anderes Mal ist er weniger streng (De corona 11, CSEL 70,175 f), wie auch Clemens v. A. (Paed. III 91,2; GCS 1,286) u. Eusebius (Hist. Eccl. V 5; VI 5.41; GCS II/1,434; II/2,532.606.608; Mart. in Palaest. 11,20; GCS 2/1,942). Tatsächl. dienten nicht wenige Christen im Heer; manche von ihnen werden als Märtyrer verehrt (Basilides, Marcellus, Iulius).

Als die Christen es nicht länger vermeiden konnten, politische Verantwortung zu übernehmen, hieß die Frage für sie nicht nur, ob sie als einzelne Militär- u. K.sdienst leisten dürften, sondern auch, ob ein kriegerisches Unternehmen überhaupt zulässig sein könne. Christl. Denker wie Tertullian (Apol. 30,4; De resurr. carnis 16; De anima 30; CSEL 69,79; 47,45; 20,350) u. Clemens v. Al. (Strom. I 157,2-4; I 162 1 f; II 23,4; VI 112,2; GCS 2,98.101.125.488) beginnen mit der Zulässigkeit zu rechnen. Anscheinend hatten sie den Eindruck, daß Unrecht manchmal nicht anders abgewehrt werden kann.


2. Allerdings waren sie sich bewußt, damit der unerfreul. Wirklichkeit des Daseins ein Zugeständnis zu machen (vgl. Kompromiß).

Dazu mochten sie sich vom AT u. vom NT her für berechtigt halten.


a) Das AT macht dem sittl. Entwicklungsstand des Volkes Israel Zugeständnisse, die im Licht späterer Einsichten als mangelhaft erscheinen u. daher Kirchenvätern u. Theologen viel Kopfzerbrechen bereiten (vgl. Thomas v. A., S.Th. 1,2 q.94 a.5; q.100 a.8; S.c.G. 3,123; F. de Suàrez, De legib. II 15, 10.25.28). Die Vorschrift des Bannes etwa (die allerdings nicht immer lückenlos eingehalten wurde) verlangte, daß von Israel im K. unterworfene Menschen samt ihrem Vieh getötet u. erbeutete Sachwerte vernichtet würden (Lev 27,28 f; Dtn 2,34; 3,6; 7,1-11; 20,16-18; Jos 2,10; 6,21; 8,26; 10,28; Ri 1,17; 1 Sam 15,2 f; 1 Chr 4,41; Jer 51,1.3). Man wollte so die K.sbeute Jahwe weihen u. ihm für den Sieg danken, ferner die Strafe Jahwes an seinen Feinden vollziehen u. den Gefahren des rel. Synkretismus vorbeugen. Das atl Gesetz ließ weiters die Entlassung der Frau durch den Mann (Ehescheidung) zu, falls er an ihr etwas Widerwärtiges entdeckte (Dtn 22,19.21; 24,1-4), u. schrieb dafür die Ausstellung eines Scheidebriefes vor, durch den der Frau wenigstens ein gewisser Schutz geboten werden sollte. Daß damit ein Zugeständnis gemacht wurde ("Wegen eurer Herzenshärte hat Mose euch diese Verordnung geschrieben", Mk 10,5), zeigt die Hochschätzung der lebenslängl. ehel. Einheit (Gen 2,24; Tob 8,7) u. der Tadel der Entlassung (Mal 2,14) im AT selbst. Mit solchen Zugeständnissen nahm das AT auf die Schwierigkeiten Rücksicht, die Israel in der Erkenntnis u. der Durchsetzung dessen, was konkret sittl. richtig ist, hatte.

Zugeständnisse wurden auch den Nöten der Menschen gemacht, für die man keine andere Möglichkeit der Bewältigung sah. Einerseits fordert das AT die Unantastbarkeit des Menschenlebens u. begründet sie mit der Gottesebenbildlichkeit des Menschen (Gen 9,6); sogar Kain, der sich am Leben seines Bruders vergriffen hat (Gen 4,10), bleibt noch unter dem Gesetz der Unantastbarkeit (Gen 4,15). Anderseits wurde einer Gesellschaft, in der Bluttaten zunahmen, die Schonung des Mörders gefährl. In den Noe-Geboten wurde daher verfügt, dem Mord, der ein Frevel am Menschen, dem Bild Gottes ist, solle dadurch entgegengewirkt werden, daß dem Mörder sein Leben genommen wird ("Wer Menschenblut vergießt, durch Menschen soll sein Blut vergossen werden", Gen 9,6). Das AT ließ die Todesstrafe zu (Gen 9,6; Ex 21,12; Lev 24,17.21; Num 36,16; Dtn 19,11 f) u. interpretierte das Verbot der Tötung (Ex 20,13; Dtn 5,17) dahin: "Den Schuldlosen u. den, der recht hat, sollst du nicht töten" (Ex 23,7).


b) Das NT stellt des öfteren das anzustrebende Ideal heraus u. berücksichtigt auch Schwierigkeiten in seiner Verwirklichung. Jesus sagt, die von Mose geregelte Ehescheidung laufe den Absichten Gottes zuwider (Mk 10,5-8). "Was nun Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen" (Mk 10,9). Paulus unterstreicht diesen Befehl des Herrn (1 Kor 7,10 f), weiß aber, daß eine unerfreul. Wirklichkeit sich damit manchmal nicht in Einklang bringen läßt. So gesteht er dem Heiden, der sich taufen läßt u. mit dem sein ungetauft gebliebener Ehepartner desh. nicht weiter im Frieden zusammenleben will, die Trennung zu (1 Kor 7,15 f; "Paulinisches Privileg"). Matthäus berichtet zweimal das Scheidungsverbot Jesu mit dem Zusatz "außer wegen Unzucht" (Mt 5,32; 19,9); manche Exegeten verstehen diese "Klausel" als Einschub des Evangelisten, der damit habe eine Ausnahme zugestehen wollen: Für den Fall, daß ein Ehepartner ein ehebrecherisches Verhältnis (Unzucht in diesem Sinn) begonnen habe u. nicht davon lassen wolle, dürfe der andere sich von ihm trennen (u. wieder heiraten? Vgl. Ehescheidung).

Bezeichnend mag auch sein, daß Jesus angesichts einer verlogenen Eidpraxis erklärt: "Ihr sollt überhaupt nicht schwören"; das bloße Ja od. Nein solle genügen (Mt 5,34.37; ähnl. Jak 5,12). Er fordert solche Wahrhaftigkeit, daß der Eid überflüssig wird. Da wir jedoch (noch) nicht in einer derart wahrhaftigen Welt leben, kann der Fall eintreten, daß man sich aus einem wichtigen Grund auf Gott als Zeugen berufen darf u. muß, wie Paulus des öfteren tut (Röm 1,9; 2 Kor 1,23; 11,31; Gal 1,20; Phil 1,8).


3. Auch den K. sieht das christl. Denken höchstens als Zugeständnis an, als Notmittel, das man zu vermeiden trachten muß u. mit dem man sich nur abfinden darf, wenn alle anderen Lösungsversuche versagen.


a) Schon im AT wird es als unbefriedigend angesehen, daß David viele K.e geführt u. in ihnen so viel Blut vergossen hat; er darf desh. den Tempel Gottes nicht bauen (1 Chr 22,8; 28,3; vgl. 2 Sam 7,13). Augustinus, der nicht jede kriegerische Tätigkeit ausnahmslos als unzulässig hinstellen will (vgl. Ep. 138; Ep. 189,4; C. Faust. XXII 74; PL 33,532.855; 42,447), findet dennoch: "Ein größerer Ruhm ist es, die K.e selbst mit dem Wort zu töten als die Menschen mit dem Schwert, u. den Frieden im Frieden zu erwerben, nicht im K." (Ep. 229,2; PL 33,1020).

Der Friedensauftrag Christi hat in der Christenheit immer wieder zu Friedensunternehmungen u. -bewegungen geführt, die sich um die Ausschaltung des K.es bemühten.

Die Väter des 1. Vat. Konz. wollten auf die Vermeidung des K.es hin tätig werden. Während des 1. Weltkrieges hat Benedikt XV. das Wirken gegen den K. als eine seiner wichtigsten Aufgaben gesehen; ebenso Pius XII. vor, im u. nach dem 2. Weltkrieg. Johannes XXIII. u. Paul VI. sind ihnen darin bereitwillig gefolgt. Pius XII. hat am Vorabend des 2. Weltkrieges gewarnt: "Nichts ist mit dem Frieden verloren. Alles kann mit dem K. verloren sein" (UG 3351), u. hat später dem Ruf "K. dem K." beigepflichtet (UG 3494). Auch von der berechtigten Verteidigung hat er gefragt: "Ist es nicht betrübl., tadelnd feststellen zu müssen, daß eine solche Verteidigung notwendig ist?" (UG 6403). Paul VI. hat vor den Vereinten Nationen gefordert: "Niemals wieder K., niemals wieder K.! Der Friede, der Friede muß das Schicksal der Völker u. der ganzen Menschheit leiten" (4.10.1965, Insegnamenti III 511 f).


b) Theologie u. Kirche haben nicht übersehen, daß der K. ein Übel ist. Allerdings konnten sie auch nicht übersehen, daß es in der Welt ungerechte Gewalt gibt. So standen sie vor der bedrückenden Frage, ob man der ungerechten Gewalt freien Lauf lassen od. ihr mit Gewalt entgegentreten soll. Das 2. Vat. Konz. hat mit aller Dringlichkeit nach der Überwindung des K.es verlangt (GS 81). Dennoch konnte es sich nicht zur Überzeugung durchringen, die Zeit sei schon da, in der kriegerische Abwehr von Unrecht nicht mehr in Betracht komme, weil sich solches Unrecht nicht mehr ereigne od. weil man zu seiner Behebung ausreichende andere Mittel habe; die Zeit für ein sinnvolles K.sverbot sei also schon gekommen. "Allerdings - der K. ist nicht aus der Welt geschafft. Solange die Gefahr von K. besteht u. solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedl. Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittl. erlaubte Verteidigung nicht absprechen" (GS 97); jedoch: "Der kollektive bewaffnete Widerstand gegen den Angreifer kann nur eine Notlösung in einer Situation äußerster Verzweiflung sein" (R. Coste).


III. Da Theologie u. Kirche den K. höchstens als bedauerl. Notlösung anerkennen konnten, waren sie bestrebt, seine Anwendung möglichst einzuschränken u. ihn für den Fall der Anwendung möglichst einzudämmen.


1. Diesem Bemühen entsprang die Lehre vom gerechten K. (bellum iustum), deren Erörterung schon in vorchristl. Zeit begonnen hatte u. durch Theologen u. andere Denker vom christl. Altertum (Origenes, Augustinus) über mittelalterl. u. neuzeitl. Scholastiker (Thomas v. Aq., Francisco de Vitoria, Francisco de Suàrez) u. Völkerrechtslehrer (Hugo Grotius) bis in die Gegenwart fortgesetzt wurde. Von vornherein ist es klar, daß jeder K. ungerecht genannt werden muß, wenn man ihn gewissermaßen personifiziert u. dieser "K.sperson" alles anrechnet, was sich in einem K. ereignet. Es gibt keinen K., in dem kein Unrecht geschähe. In der Erörterung des "gerechten K.es" geht es jedoch um die Frage: Ist es mögl., daß ein Mensch, der einen K. unternimmt od. an einem K. teilnimmt, sich gerecht verhalten u. gerecht bleiben kann? Welche Bedingungen müßte er erfüllen, um von Unrecht frei zu bleiben?

Da die Lehre vom sog. gerechten K. darauf ausgerichtet ist, das Übel möglichst klein zu halten, hat sie das 2. Vat. Konz. nicht aufgegeben, sondern noch präzisiert.


2. Kirchl. Lehrer konnten sich nicht mit der Auffassung befreunden, die von manchen Völkerrechtslehrern vertreten wurde, der K. sei ein wertneutrales Mittel zur Lösung internationaler Spannungen; der Begriff des gerechten K.es fordere nur die Einhaltung gewisser Spielregeln, die mit moralischen Wertmaßstäben nichts zu tun haben. Für die Theologen war gerade die Frage der sittl. Bewertung immer die Hauptfrage. "Der K. ist für die Kirche nicht etwas, was unter jedweder Voraussetzung rechtl. erlaubt bleibt" (Pius XII., UG 6411; vgl. UG 3495; Johannes XXIII., PT 127). "Das K.spotential legitimiert auch nicht jeden militärischen u. politischen Gebrauch" (GS 79).


a) Für die sittl. Beurteilung des K.es ist die Frage, ob für ihn ein rechtfertigender Grund bestehe, von entscheidender Bedeutung. K.e, die nicht zur Abwehr eines Unrechtes notwendig sind, können auf keinen Fall sittl. zulässig sein. Nachdem schon Aristoteles (Pol. I 8,1256 b; VII 14,1333 ab.1334 a) u. Cicero (De off. I 12,38; De republica III 23), Clemens v. Al. (Strom. I 157,2-4; GCS 2,98 f) u. Origenes (C. Cels. IV 83; VII 26; VIII 73; GCS 1,352 f; 2,177.291) nach rechtfertigenden Gründen gefragt hatten, stellten Augustinus (Qq. in Hept. VI q.10; PL 34,781) u. Thomas v. A., (S.Th. 2,2 q.40 a.1) u. in ihrem Gefolge spätere Theologen u. Völkerrechtslehrer den gerechten Grund, wenn auch nicht mit einheitl. Deutung, als wesentl. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines kriegerischen Unternehmens heraus.

Zu fragen ist aber nicht nur, ob ein gerechter Grund für den Einsatz kriegerischer Mittel besteht, sondern auch, ob dieser Grund in Anbetracht der zu erwartenden Übel des K.es schwerwiegend genug ist. Diese Frage wird umso brennender, je verheerender die Folgen sind, die ein K. heute herbeizuführen droht.


b) Wie die Frage nach dem genügend schweren Grund verfolgt auch die Frage nach der rechten Absicht das Ziel, dem Zugeständnis des K.es einen möglichst geringen Umfang zu belassen: Mit dem Einsatz von Gewalt kann man sich nur abfinden, wenn er den Charakter eines letzten Notmittels hat, wenn er also in keiner anderen Absicht als zur Abwehr des schwersten Unrechtes unternommen wird, nachdem alle gewaltlosen Wege dazu versucht wurden u. sich als ungangbar herausgestellt haben (vgl. Platon, Leges 626 a-628 c; Aristoteles, Pol. VII 14,1333 a; Cicero, De off. I 1,34; Clemens v. Al., Strom, II 23,4; GCS 2,125). Augustinus (Ep. 189,6; De civ. D. IV 6; C. Faust. XXII 74; PL 33,856; 41,116 f; 42,447) u. Thomas v. A. (S.Th. 2,2 q.40 a.1) betonen nachdrückl. die unerläßl. Notwendigkeit der rechten Absicht. Heute hebt man mit Recht hervor, die Möglichkeiten, die die Vereinten Nationen u. andere internationale Stellen zur Streitbereinigung bieten, müßten ausgenützt werden, obwohl sie sich bisher durchaus nicht immer als befriedigend erwiesen haben, u. verlangt man, für gewaltlose Verteidigung solle umsichtiger vorgesorgt werden. Das 2. Vat. Konz. hat denen seine Anerkennung ausgesprochen, "die bei Wahrung ihrer Rechte darauf verzichten, Gewalt anzuwenden, sich vielmehr auf Verteidigungsmittel beschränken, so wie sie auch den Schwächeren zur Verfügung stehen, vorausgesetzt, daß dies ohne Verletzung der Rechte u. Pflichten anderer od. der Gemeinschaft mögl. ist" (GS 78).

Die rechte Absicht richtet sich auf die Abwehr ungerechten Angriffes auf wertvollste Güter, die anders nicht geschützt werden können. Als vertretbar erscheint somit ein derartiges kriegerisches Wehren eines Volkes (Verteidigungs-K.; Pius XII., UG 444 2366 3850 4149 4152-54 4412 4458 6412 f; GS 79) u. ein K., den eine Staatengemeinschaft zum Schutz eines zu Unrecht angegriffenen Mitgliedes gegen den Angreifer führt (Sanktions-K., Pius XII., UG 4152 4154). Zulässig kann auch ein echter Präventiv-K. sein, durch den ein ungerecht bedrohter Staat im letzten Augenblick dem Angreifer zuvorkommt; allerdings müßten die Entscheidenden höchste Gewißheit über das unmittelbare Bevorstehen des Angriffes haben. Häufig wird als Präventiv-K. ein Angriffs-K. getarnt, der heute auf jeden Fall abzulehnen ist (Pius XII., UG 444 3467 3493 f 3496 4078). "Es ist etwas anderes, militärische Macht einzusetzen, um ein Volk rechtmäßig zu verteidigen, etwas anderes, andere Nationen zu unterjochen" (GS 79).


c) Zur K.seinschränkung trägt es auch bei, wenn selbst für Unrechtssituationen die Entscheidung über das kriegerische Wehren denen vorbehalten wird, die im Staat od. in der Staatengemeinschaft an verantwortl. Stelle stehen; von ihnen sollte man am ehesten erwarten, daß sie durch ihre Urteilsreife u. ihr Verantwortungsbewußtsein vor unüberlegten Schritten bewahrt werden. Gemäß den Zeitverhältnissen nennen Augustinus (C. Faust. XXII 75, PL 42,448) u. Thomas v. A. (S.Th. 2,2 q.40 a.1) die Fürsten (principes) als Entscheidungsbefugte; je nach der Verfassung des betreffenden Staatsgebildes können dazu verschiedene Personen zählen. Als ein Fortschritt ist der Übergang des K.srechtes von kleineren Staaten auf umfassendere Gemeinschaften anzusehen, wenn auch heute leider noch längst nicht der Zustand erreicht ist, daß eine mit entsprechenden Mitteln ausgestattete internationale Autorität den K. bannen könnte (vgl. 2. Vat. Konz., GS 79).


d) Die Bedingungen des gerechten Grundes, der rechten Absicht u. der Entscheidungsbefugnis haben das Ziel, den K. auszuschalten od. wenigstens selten zu machen. Jene Verantwortlichen, die bereit sind, sich an diese Bedingungen zu halten, sind freil. nicht davor gesichert, daß andere sich darüber hinwegsetzen. Sie können angegriffen u. wider Willen in einen K. verwickelt werden. Selbst für diesen Fall haben sich Theologen, Völkerrechtslehrer u. andere maßgebende Leute darum bemüht, das Elend des K.es nach Möglichkeit einzudämmen od. den K. wenigstens relativ zu "humanisieren". Schon Cicero verlangt, daß K.e nicht vollkommen hemmungslos geführt werden (De off. I 12,38) u. daß gewisse Rechtformen dabei eingehalten werden (ebd. 11,36). Nach Clemens v. Al. soll auch im K. das Land des Feindes nicht restlos verwüstet werden (Strom. II 95,1; GCS 2,164) u. soll Frauenehre geachtet werden (ebd. II 89,1; GCS 2,160). Origenes verwendet den Begriff der gerechten u. geordneten K.sführung (C. Cels. IV 82; GCS 1,352). Ambrosius betont, daß die Gegner verpflichtet sind, früher getroffene Abmachungen über die K.sführung einzuhalten (De off. I 29; PL 16,68; vgl. Thomas v. A., S.Th. 2,2 q.40 a.3). Spätere Theologen u. Völkerrechtslehrer verwenden auf die Frage beträchtl. Mühe. Sie sehen es als einen Gewinn an, wenn ein K., der leider nicht vermieden werden konnte, wenigstens in menschlicheren Formen geführt wird. Das 2. Vat. Konz. stellt klar, daß "nicht desh., weil ein K. unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun jedes Kampfmittel zw. den gegnerischen Parteien erlaubt wird" (GS 79; vgl. Pius XII., UG 445).

Besondere Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob sich der Einsatz der in den letzten Jahrzehnten entwickelten modernen Waffen jemals sittl. verantworten läßt. Der mit ihnen geführte K. droht ja "alle Grenzen der Anständigkeit u. jede Schranke des göttl. u. menschl. Rechtes zu überborden" (Pius XII., UG 3925). Die Frage spitzt sich darauf zu, ob sich die Wirkungen dieser Waffen, bes. der Atomwaffen, jemals genügend kontrollieren, d.h. auf militärische Ziele einschränken, lassen. Pius XII. gibt als Prinzip der Lösung an: "Wenn die Anwendung dieses Mittels eine solche Ausdehnung des Übels mit sich bringt, daß es sich der Kontrolle des Menschen völlig entzieht, muß sein Gebrauch als unsittl. verworfen werden. Es würde sich dann nicht mehr um Verteidigung gegen Unrecht u. notwendige Sicherung rechtmäßigen Besitzes handeln, sondern einfach um Vernichtung allen menschl. Lebens innerh. des Aktionsbereiches. Dies ist aus keinem Grund erlaubt" (UG 5364). Das 2. Vat. Konz. hebt hervor: "Die Anwendung solcher Waffen im K. vermag ungeheure u. unkontrollierbare Zerstörungen auszulösen, die die Grenze einer gerechten Verteidigung weit überschreiten", u. kommt zum Ergebnis: "Jede K.shandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte od. weiter Gebiete u. ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott u. den Menschen, das fest u. entschieden zu verwerfen ist" (GS 80).

Seit geraumer Zeit ist man darangegangen, den K. durch internationale Vereinbarungen einigermaßen zu entschärfen (Genfer Konvention 1864 zum Schutz der Militärspitäler u. ihres Pflegepersonals, Verbot gewisser Explosivgeschosse durch die Petersburger Deklaration 1868, verschiedene Milderungen der K.sführung durch die Konferenzen in Den Haag 1899 u. 1907, Verbot von giftigen u. erstickenden Gasen durch den Vertrag von Washington 1922, Verbot bakterieller Mittel durch das Protokoll von Genf 1925, Genfer Konventionen 1949 über das Recht der Verwundeten, Kranken u. Schiffbrüchigen, der K.sgefangenen u. der Zivilpersonen). An solche Vereinbarungen haben sich die Teilnehmer durch Vertrag gebunden; zur Einhaltung sind sie nur dann nicht verpflichtet, wenn auch ihre Gegner sie nicht einhalten, außer es würde sich um Forderungen handeln, die nicht erst durch Abkommen, sondern schon nach natürl. sittl. Grundsätzen (Naturrecht) gelten, wie die eben erwähnte Unzulässigkeit moderner Waffen im Fall der Unkontrollierbarkeit od. das Verbot der Repressalie im engeren Sinn. Das 2. Vat. Konz. wollte eindringl. "an die bleibende Geltung des natürl. Völkerrechtes u. seiner allg. Prinzipien erinnern. Das Gewissen der gesamten Menschheit bekennt sich zu diesen Prinzipien mit wachsendem Nachdruck. Handlungen, die zu ihnen in bewußtem Widerspruch stehen, sind Verbrechen; ebenso Befehle, die solche Handlungen anordnen" (GS 79). Das Konzil erinnert daran: "Für den K.sfall bestehen verschiedene internationale Konventionen, von einer recht großen Zahl von Ländern unterzeichnet, die Unmenschlichkeit von K.shandlungen u. -folgen zu mindern, etwa die Konventionen zum Schutz der Verwundeten u. K.sgefangenen u. verschiedene ähnl. Abmachungen. Diese Verträge müssen gehalten werden. Außerdem müssen alle, insbesondere die Regierungen u. die Sachverständigen, alles tun, um diese Abmachungen nach Möglichkeit zu verbessern u. dadurch die Unmenschlichkeit des K.es besser u. wirksamer einzudämmen" (GS 79).

Durch die Repressalie im engeren Sinn, näml. die Vergeltung einer völkerrechtswidrigen Maßnahme mit einer ebensolchen, werden zieml. regelmäßig Menschen betroffen, die an der ersten Rechtsverletzung schuldlos sind, vor allem Geiseln u. K.sgefangene. Während das Völkergewohnheitsrecht sich vielfach an die Auffassung hielt, die Repressalie sei ein zulässiger Gegenangriff gegen Völkerrechtsbrecher, u. einzelne sogar meinten, der Humanität werde mit der energischesten Repressalie am besten gedient, da diese den Gegner am ehesten zum Einlenken zwinge, hat Pius XII. die Repressalie als Bestrafung Schuldloser entschieden abgelehnt (UG 445). Glücklicherweise verbieten die Genfer Konventionen vom 12.8.1949 Vergeltungsmaßnahmen gegen K.sgefangene (Abkommen über die Behandlung von K.sgefangenen, Art. 13 Abs. 3) u. die Festnahme von Geiseln (Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen in K.szeiten, Art. 34).


IV. So große Anerkennung die Bemühungen, die Zahl von K.en zu mindern u. ausgebrochene K.e zu mildern, verdienen (vgl. GS 79), können sie doch nicht bewirken, daß der K. aufhört, ein bedrückendes Übel zu sein. Die Christen dürfen sich daher zus. mit allen Menschen kein geringeres Ziel stecken als die gänzl. Überwindung des K.es u. die dauernde Sicherung des Friedens. Damit, daß Situationen eintreten, in denen bedrängte Völker keinen besseren Ausweg als den der gewaltsamen Abwehr des Unrechtes finden, darf man sich nicht zufriedengeben; das Notmittel des kriegerischen Wehrens würde sonst zum faulen Kompromiß.


1. Vorchristl. Denker wie Platon (Leges 626 a-628 e), Aristoteles (Politica VII 14,1333 a) u. Cicero (De off. I 23,80) haben den K. nicht ganz abgelehnt u. doch den Frieden als Ziel gezeigt. Im AT spielen K.e eine nicht unbedeutende Rolle u. ist doch die Hoffnung auf den Frieden gerichtet (vgl. Is 2,2-4; Hos 2,20; Mi 4,3 f; der Messias als Friedensfürst Jes 9,5 f; 11,1-6-10; Sach 9,9 f). Im NT wird das "Evangelium des Friedens" verkündet, das die Menschen zum Frieden nicht nur mit Gott, sondern auch miteinander ruft (vgl. I 2). So ist es nicht zu verwundern, daß die Christenheit seit den Urzeiten ihren Auftrag im Frieden sieht u. den K. als Vorwurf empfindet. Nach Augustinus soll man nicht den Frieden als Vorbereitung zum K. ansehen, sondern umgekehrt im K. auf den Frieden hinwirken (Ep. 189; PL 33,856) od. noch besser den Frieden im Frieden erwirken (Ep. 229,1; De civ D. XIX 11; PL 33,1020; 41,637). Thomas v. A. sieht den Frieden als Frucht der Liebe (S.Th. 2,2 q.29 a.3) u. beschäftigt sich mit dem K. unter dem Titel des Fehlverhaltens, das der Liebe entgegensteht (ebd. q.34 prol.; q.37 prol.). Je verheerendere Formen die K.e annahmen, umso deutlicher wurde die Friedensaufgabe der Christen.

Benedikt XV. nannte den 1. Weltkrieg ein "entsetzl. Gemetzel", einen "entsetzl. Wahnsinn". Pius XII. sagte dem K. den K. an (UG 3494) u. wünschte seine Ächtung herbei (UG 3496). Johannes XXIII. sprach den brennenden Wunsch aus, "daß des K.es Unheil abgewandt, der Friede dagegen unversehrt bewahrt u. tägl. mehr gesichert werde" (PT 115). Paul VI. rief vor den Vereinten Nationen nach dem Frieden u. nach der endgültigen Abschaffung des K.es (Insegnamenti III 511 f).

Das 2. Vat. Konz. hat zugegeben, daß die völlige Ausschaltung des K.es bis jetzt nicht gelungen ist (GS 79). Im Bestreben, die Übel vorkommender K.e zu verkleinern, hat es sogar die Lehre vom "gerechten K." in manchen Punkten präzisiert. Es wollte damit aber keineswegs kriegslüsternen Machthabern Rückendeckung bieten. Im Gegenteil, das Konzil drängte nach bestem Können zur Überholung der K.sproblematik ("Die göttl. Vorsehung fordert dringend von uns, daß wir uns von der alten Knechtschaft des K.es befreien", GS 81). Es stand vor dem Problem, wie sich Völker gegen ungerechte Bedrohung schützen können. Wenn es wollte, daß seine Äußerungen nicht als unrealistisch u. bedeutungslos zur Seite geschoben würden, mußte es auf die gegenwärtige Lage der Menschen mit ihren Schwierigkeiten eingehen, durfte sich aber nicht einfach mit diesen Schwierigkeiten abfinden, sondern mußte zum Mühen um gründliche Besserung der Lage aneifern.


2. Verurteilungen des K.es allein genügen nicht. Im Anschluß an die letzten Päpste hat das 2. Vat. Konz. nicht nur den totalen K. abgelehnt (GS 80), sondern mehr noch die Menschheit gedrängt, eine solche Friedensordnung zu schaffen, die dann gewissermaßen als logische Folge ein allg. K.sverbot herbeiführt: "Es ist deutl., daß wir mit allen unseren Kräften jene Zeit vorbereiten müssen, in der auf der Basis einer Übereinkunft zw. allen Nationen jegl. K. absolut geächtet werden kann" (GS 82).


a) Im Forschen nach einer solchen Friedensordnung hat das Konzil gefunden, daß echter Friede nicht schon mit jedem Nichtkriegführen gegeben sei, sondern auf einer Ordnung der Gerechtigkeit u. der Liebe aufbauen müsse (GS 78). Die Schaffung einer solchen Ordnung hat sich das Konzil nicht leicht vorgestellt; in realistischem Optimismus hat es aber erklärt: "Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des K.es, u. sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi. Soweit aber die Menschen sich in Liebe vereinen u. so die Sünde überwinden, überwinden sie auch die Gewaltsamkeit" (GS 78). Den Frieden sichern u. damit zugleich den K. überwinden kann man nur durch mühsame Arbeit auf weite Sicht.


b) Als grundlegend für ein echtes Friedenswirken im Zusammenleben der Völker ist die Achtung der Menschenrechte anzusehen.

Sie muß mehr u. mehr Gestalt annehmen in einer internationalen Ordnung der Gerechtigkeit u. der Liebe, wie sie die Päpste u. das 2. Vat. Konz. in den Grundzügen entworfen haben. Besondere Bedeutung kommt in der Schaffung einer solchen Ordnung der Entwicklungshilfe der reichen an die aufstrebenden Völker zu (GS 81 85-87; Paul VI., PP 43-86). Das Konzil hält es für sehr zweckmäßig, "ein Organ der Gesamtkirche zu schaffen, um die Gerechtigkeit u. Liebe Christi den Armen dieser Welt zuteilwerden zu lassen. Sein e Aufgabe soll es sein, die Gemeinschaft der Katholiken immer wieder anzuregen, den Aufstieg der notleidenden Gebiete u. die soziale Gerechtigkeit unter den Völkern zu fördern" (GS 90). Zu diesem Zweck hat Paul VI. am 6.1.1967 die Kommission "Iustitia et pax" ins Leben gerufen (AAS 1967,25-28).


c) Zur gewaltlosen Sicherung des Friedens können internationale Rechtseinrichtungen, bes. die organisierte Völkergemeinschaft, beitragen, wie sie im Gefolge Benedikts XV. die Päpste Pius XII. (UG 743 3445 3495-97 3661 3797 3963 3966 f 4150 4164 4198 4458), Johannes XXIII. (PT 137-143 146) u. Paul VI. (Ansprache vor den Vereinten Nationen, Insegnamenti III 507-516; PP 43-80) u. das 2. Vat. Konz. (GS 26 79 82 84 88 90) wiederholt befürwortet u. gefordert haben.


d) Die bestdurchdachten Rechtseinrichtungen zur Friedenssicherung u. die schönsten Pläne einer Friedensordnung können freil. nichts nützen, wenn es den Menschen an der Friedensgesinnung fehlt (vgl. Pius XII., UG 3875). "Darum sind vor allem eine neue Erziehung u. ein neuer Geist in der öffentl. Meinung dringend notwendig. Wer sich der Aufgabe der Erziehung, vor allem der Jugend, widmet u. wer die öffentl. Meinung mitformt, soll es als seine schwere Pflicht ansehen, in allen eine neue Friedensgesinnung zu wecken. Wir alle müssen uns wandeln in unserer Gesinnung u. müssen die ganze Welt u. jene Aufgaben in den Blick bekommen, die wir alle zus. zum Fortschritt der Menschheit auf uns nehmen können" (GS 82). Eine wichtige Aufgabe fällt dabei der von der Kirche anerkannten Pax-Christi-Bewegung zu (vgl. Pius XII., UG 3872-86).


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