Bürgerliches Gesetz
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral
LChM 1969, Sp. 131 f

1. Wenn der Mensch so geschaffen ist, daß er der bürgerl. Gesellschaft bedarf, u. wenn die bürgerl. Gesellschaft ihre Aufgabe nicht ohne eine Ordnungsmacht erfüllen kann (vgl. D 3150 [1855]), leiten sich Bestehen u. Berechtigung auch dieser Ordnungsmacht letztl. vom Schöpfer her (Staat; vgl. D 3151 [1856]).

"Denn es gibt keine Gewalt, die nicht v. Gott ist. Die bestehenden (Gewalten) sind v. Gott angeordnet" (Röm 13,1). "Durch die göttl. Vorsehung werden die menschl. Reiche aufgerichtet" (Augustinus, De civ. Dei V 1; vgl. De div. qq. 83 q.69,4; In Io tr. 6,25; PL 41,141 f; 40,74-79; 35,1136 f).

Das Ziel der bürgerl. Gesellschaft ist das irdische Gemeinwohl. Die bürgerl. Gewalt hat in dem ihr v. der Gesellschaft übertragenen Ausmaß für dieses Gemeinwohl zu sorgen, auch durch ihre Gesetze.

Wer in der bürgerl. Gesellschaft befugter Gesetzgeber ist u. wie weit seine Rechte reichen, das hängt davon ab, wen die Gesellschaft zum Gesetzgeber bestellt u. wie sie seine Rechte abgrenzt; der Natur der Sache nach sind verschiedene Systeme möglich (vgl. D 3150 [1855]).

2. Verpflichtet werden durch ein rechtmäßiges b. G. alle in der betreffenden Gemeinschaft, für die es erlassen wurde. Ausnahmen, die v. der Natur der Sache erfordert werden, sollte der Gesetzgeber schon im Gesetz berücksichtigen, etwa in einem Gesetz, das allg. Wehrpflicht vorschreibt (das österr. Wehrgesetz vom 7.9.1955, § 29 [2], sieht Ausnahmen v. der Einberufung zum ordentl. Wehrdienst "aus rücksichtswürdigen, gesamtwirtschaftl., familienpolitischen u. sonstigen öffentl. Interessen" vor). Sachl. begründet ist der Wunsch der Kirche, daß Geistliche (Männer, die Weihen od. wenigstens die Tonsur empfangen haben; CICc. 108) u. Angehörige relig. Genossenschaften (CICcc. 614.680) v. Verpflichtungen, die sich mit ihrem Beruf schwer vereinbaren lassen, frei bleiben sollen, etwa vom Militärdienst od. v. manchen öffentl. Ämtern (CICc. 121). Ob dieser Wunsch tatsächl. erfüllt wird, hängt freil. sehr vom guten Willen der Träger der Staatsgewalt, im besonderen der Gesetzgeber, ab. Anzustreben ist in dieser Angelegenheit, die Kirche u. Staat interessiert, eine einvernehml. Regelung (Konkordat; österr. Konkordat v. 1934, Art. XIX: Geschworenen-u. Schöffenamt; deutsches Konkordat v. 1933, Art. 6: öffentl. Ämter u. Obliegenheiten, die mit dem geistl. bzw. Ordensstand nicht vereinbar sind, bes. eines Geschworenen, eines Schöffen, eines Mitgliedes der Steuerausschüsse od. der Finanzgerichte). Gemäß 1 Kor 6,1-6, will die Kirche grundsätzl., daß Kleriker in Kriminal- u. Zivilsachen vor kirchl. Gerichten belangt werden, vor weltl. Gerichten nur mit Erlaubnis des Ordinarius (des Trägers der bischöfl. Gewalt), der diese Erlaubnis jedoch nicht ohne schwerwiegende Gründe verweigern soll (CICc. 120); in Konkordaten hat die Kirche häufig in dieser Sache Ausnahmen zugestanden (österr. Konkordat v. 1934, Art, XX: Verständigung des Diözesanordinarius im Fall der strafgerichtl. Belangung eines Geistlichen od. einer Ordensperson).

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