Liebe
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 973-991


I. Nach der christl. Botschaft ist der Mensch zur L. berufen.


1. Das NT zeigt die L. als das Wesentliche des christl. Lebens.


a) Gott ruft den Menschen in Jesus Christus zu einer bestimmten Lebensgestaltung; er erwartet vom Menschen das Ja eines (existentiellen) Glaubens, der das ganze Leben durchformt (fides formata). Die Offenbarung zeigt, daß der Mensch mit dieser Aufgabe erst in der Begegnung mit dem Herrn, der in Herrlichkeit erscheint, zu einem Ende kommt; im Streben nach der Vollendung liegt die christl. Hoffnung. Die Lebensform nun, zu der der Mensch von Gott berufen ist u. zu der er im Glauben sein Ja sagt u. die er in der Begegnung mit dem kommenden Herrn zu vollenden hofft, heißt L. Paulus stellt klar, daß nur "der Glaube, der durch die L. wirksam ist" (Gal 5,6), dem Menschen sein Heil od. die gottgewollte Erfüllung seines Lebens bringen kann. "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, L., diese drei; am größten jedoch unter ihnen ist die L." (1 Kor 13,13). Augustinus stimmt diesem Apostelwort zu: "Wenn man fragt, ob jemand ein guter Mensch ist, fragt man nicht nach dem, was er glaubt od. hofft, sondern nach dem, was er liebt. Denn wer in die richtigen Weise liebt, glaubt u. hofft zweifellos auch in der richtigen Weise; wer aber nicht liebt, dessen Glaube ist leer, mag auch wahr sein, was er glaubt; u. seine Hoffnung ist leer, mag auch das, was er hofft, der Lehre gemäß zur wahre n Seligkeit gehören" (Ench. 117,31; PL 33,739).


b) In der L. liegt also das Wesentliche des christl. Lebens u. zugleich das Kennzeichnende der christl. Moral. "Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet; wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr untereinander L. habt" (Joh 13,34 f).

Die eigenartige Prägung des christl. Lebens u. der christl. Moral durch die L. wird nicht durch die Tatsache entkräftet, daß heute alle Welt von L. redet. Man muß ja näher zusehen, was damit gemeint ist. Sog. "käufl. L." z.B. hat mit der vom NT aufgezeigten L. kaum etwas zu tun. Entgegen solcher Begriffsverwirrung u. -entwertung haben Kirche u. Theologie die Aufgabe, die Dinge zurechtzurücken; keineswegs aber empfiehlt es sich, den bibl. Grundbegriff der L. in der Verkündigung aufzugeben. Das 2. Vat. Konz., das doch auf die "Zeichen der Zeit" achten wollte (GS 11), hat es jedenfalls für gut befunden, vom neuen Gebot der L. als dem Grundgesetz der menschl. Vervollkommnung zu sprechen (GS 38; vgl. 22 28).

Auch außerh. des Christentums redet man ernsthaft von der L. zu Gott u. zum Mitmenschen. Die großen Gebote finden sich im NT (Mk 12,29-31 par.) mit einem Wortlaut, der aus dem AT (Dtn 6,4 f; Lev 19,18) zitiert wird. Selbst über das AT u. das NT hinaus sind die Forderungen der L. nicht völlig unbekannt. Allerdings ist noch immer zu fragen, ob sie dort dasselbe meinen wie die Gebote der L. im NT.

Nach der sprachl. Seit fällt auf, daß im NT die in den großen Geboten geforderte L. mit dem Ausdruck Agape bezeichnet wird. Dieser Ausdruck scheint in der griech. Umgangssprache Ägyptens (Koinè) schon vorher gebraucht worden zu sein, u. zwar im rel. Sinn. In der heidnischen Literatur konnte er nicht sicher nachgewiesen werden. Erst die griech. Übersetzung des AT (Septuaginta) scheint ihn in die Literatur eingeführt zu haben: Sie vermeidet die übl. Wörter für L. Eros u. Storge u. verwendet auch den Ausdruck Philia nur selten; statt dessen macht sie sich Agape mit deutl. kultischer u. heilsgeschichtl. Note (L. Israels zu Jahwe, Jer 2,2; aber auch geschlechtl., ja selbst blutschänderische L., 2 Sam 13,15) zu eigen. Im NT verschiebt sich die Bedeutung von Agape hin auf die L. Gottes zu den Menschen, die L. des Menschen zu Gott, die Nächstenliebe (einschließl. der Feindesliebe).


2. Das Wesentliche des christl. Lebens ist nach dem NT eine L. von bestimmter Eigenart.


a) Sie geht auf Gott, auf seine L., zurück.

Schon das AT weiß von der L. Gottes. Es stellt zwar in erster Linie Größe, Macht, Heiligkeit, Herrlichkeit u. Gerechtigkeit Gottes heraus u. lehrt den Menschen, sich davor in Ehrfurcht zu neigen. Aber auch von L. u. Barmherzigkeit, Güte u. Treue Gottes kündet das AT: In L. schafft Gott die Welt (Weish 11,24), schließt er seinen Bund mit Israel (Dtn 7,7 f), bleibt er auch dem sündigen, untreuen Volk Israel zugetan (Jes 49,15).

Viel nachdrücklicher kündet das NT vom Gott der L. (2 Kor 13,11): "Gott ist L." (1 Joh 4,8.16). Paulus weiß, daß der liebende Gott uns vor Grundlegung der Welt erwählt u. in seinem geliebten Sohn mit der Gotteskindschaft begnadet hat (Eph 1,4-10; vgl. 2,4; Kol 3,12; Tit 3,4; 1 Joh 3,1); selbst die Sünde des Menschen konnte dieses Geheimnis seines Willens nicht vereiteln (Eph 1,9). Die Synoptiker bezeugen die erbarmende u. vergebende L. Gottes (Gleichnisse vom Hirten auf der Suche nach dem verlorenen Schaf, Mt 18,12-14; vom verlorenen Sohn, Lk 15,11-32), die uns in Jesus Christus leibhaft entgegentritt (Mk 1,41; 2,17; Lk 7,13). Paulus u. Johannes legen dar, daß Gott seine L. in seinem Sohn u. in der Hingabe seines Sohnes offenbar werden läßt. "Er, der seines eigenen Sohnes nicht geschont, wie sollte er uns nicht mit ihm alles schenken?" (Röm 8,32). "Darin ist die L. Gottes unter uns erschienen, daß Gott seinen einziggezeugten Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Darin besteht die L., nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt u. seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat" (1 Joh 4,9 f; vgl. 4,16; Joh 3,16). Der Sohn aber ist in L. bereit, sich hinzugeben: "Daran haben wir die L. erkannt, daß er sein Leben für uns hingegeben hat" (1 Joh 3,16; vgl. Joh 13,1; Offb 1,5). Paulus lebt "im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt u. sich selbst für mich ausgeliefert hat" (Gal 2,20; vgl. Röm 8,35.37.39; 2 Kor 5,14; Eph 3,19; 5,1 f.25).

Die Hl. Schrift zeigt als geziemende Antwort auf diese L. Gottes die L. des Menschen zu Gott. Schon im AT erwartet Gott von Israel als seinem Bundespartner L.: "Und nun, Israel, was fordert Jahwe, dein Gott, von dir? Nichts anderes, als daß du Jahwe, deinen Gott, fürchtest, indem du auf all seinen Wegen wandelst, daß du ihn liebst u. Jahwe, deinem Gotte, von ganzem Herzen u. aus ganzer Seele dienest" (Dtn 10,12; vgl. 6,4 f). Jesus bezeichnet im Anschluß an Dtn 6,4 f als erstes Gebot: "Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, u. du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen u. aus deiner ganzen Seele u. aus deinem ganzen Denken u. aus ganzer Kraft" (Mk 12,29 f). Wie die L. Gottes uns im liebenden Sohn zuteil wird, soll auch unsere L. über den Sohn zum Vater zurückgehen. Die L. zu Christus ist das Kennzeichen der Jünger Christi (vgl. Joh 14,15.21.23 f.28; Eph 6,24), das Kennzeichen dafür, daß die erlösende L. des Vaters im Menschen wirksam werden konnte. Zu solchen, die ihn nicht annehmen wollen, sagt Jesus: "Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben. Denn ich bin von Gott ausgegangen u. gekommen" (Joh 8,42). Der Mangel solcher L. schließt aus der Gemeinde Christi aus: "Wenn einer den Herrn nicht liebhat, so sei er verflucht" (1 Kor 16,22). L., die auf L. antwortet ("Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat", 1 Joh 4,19), wird als Dank bezeichnet (vgl. II 1 b).


b) Abgesehen von der Dankespflicht wird der Mensch schon einfach durch die beglückende Erkenntnis, daß Gott L. ist u. daß diese L. durch Christus in die Welt der Menschen tritt, zur L. angeregt; zur L. einfach desh., weil Gott in seiner L. so wunderbar ist. "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe" (Joh 13,15; Nachfolge Christi). Die L. Gottes, der nicht nur Guten u. Gerechten, sondern auch Schlechten u. Ungerechten Sonnenschein u. Regen spendet, drängt auch den Menschen zur Feindesliebe: "Seid ihr also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist" (Mt 5,44-48).


c) Daß der Mensch von Gott zur L. angeregt wird, mag man gelegentl. auch außerh. des AT u. des NT (z.B. im Hinduismus) erkannt haben. Dennoch trägt die von Gott angeregte L. des Christen eine eigene Note. Im NT fällt die enge Verbindung von Gottes- u. Nächstenliebe auf (Mk 12,31). "Wenn einer die Güter der Welt besitzt u. seinen Bruder Not leiden sieht u. sein Herz vor ihm verschließt, wie kann in ihm die L. Gottes bleiben?" (1 Joh 3,17; vgl. 4,20 f). Daran, daß jemand ein Herz für seinen notleidenden Bruder hat, kann erkannt werden, daß die L. Gottes in ihm bleibt. Gott, der in Christus die Menschen liebt, regt jeden Menschen zur L. an; der Gott der L. will so in jedem Menschen Gestalt gewinnen (vgl. das Gestaltgewinnen Christi: Gal 4,19), will durch ihn lieben, will den Menschen zum Mitvollziehenden seiner L. machen. "Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet; wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34). In diesem "wie" liegt eine Begründung der L.s-pflicht (im Sinn von "weil", vgl. Joh 13,15), aber auch ein Hinweis auf die Art dieses Liebens: Es ist die Art der L. Jesu, die Art der L. Gottes. "Darum nehmt einander auf, wie auch Christus euch zur Ehre Gottes aufgenommen hat" (Röm 15,7; vgl. 14,15; 1 Joh 3,16; 4,11). "Wenn wir einander lieben, dann bleibt Gott in uns, u. seine L. ist in uns vollendet" (1 Joh 4,12). In den letzten Zusammenhängen zeigt sich die christl. L. als von der innertrinitarischen L. geprägt, in der Vater u. Sohn einander verbunden sind ("Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt ... Das ist mein Gebot, daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe", Joh 15,9.12; vgl. 17,21.23 f.26).

Zu solcher L. kann der Mensch nur gelangen, wenn er in sie hineingezogen wird. Die Initiative liegt auf der Seite Gottes ("Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat", 1 Joh 4,19). L. ist Gnade, hat pneumatischen Charakter ("Die L. Gottes ist in unseren Herzen ausgegossen durch den Hl. Geist, der uns geschenkt wurde", Röm 5,5).

In dieser L. liegt das Proprium, die Eigenart der christl. Sittlichkeit (ein "neues Gebot", Joh 13,34), das Wesentliche des christl. Lebens (Mt 22,40; Röm 13,8-10; 1 Kor 13,1-3; Gal 5,14). Die Eigenart (das Neue) dieser L., die durch die Festlegung auf den Ausdruck Agape angedeutet wird, besteht darin, daß der Mensch in der Lebensverbindung mit Gott durch Christus im Sinn Gottes lieben, ja die L. Gottes mitvollziehen kann. Das 2. Vat. Konz. nennt als "Grundgesetz der menschl. Vervollkommnung u. desh. auch der Umwandlung der Welt das neue Gebot der L." (GS 38). Dieses Grundgesetz gilt für den Christen in allen Lebensbereichen: "Alle Christgläubigen also werden in ihrer Lebenslage, ihren Pflichten u. Verhältnissen u. durch dies alles von Tag zu Tag immer mehr geheiligt, wenn sie alles aus der Hand des himmlischen Vaters im Glauben entgegennehmen u. mit Gottes Willen zusammenwirken u. so die L., mit der Gott die Welt geliebt hat, im zeitl. Dienst selbst allen kundmachen" (LG 41; vgl. 42; AA 8). Für die Weckung neuen Lebens etwa bedeutet dies: "In ihrer Aufgabe, menschl. Leben weiterzugeben u. zu erziehen, ... wissen sich Eheleute als mitwirkend mit der L. Gottes des Schöpfers u. gleichsam als Interpreten dieser L." (GS 50).


II. In der christl. L. schenkt sich der Mensch Gott u. seiner Schöpfung.


1. Das NT verlangt L. zu Gott.


a) Jesus bezeichnet diese Forderung als "das größte u. erste Gebot" (Mt 22,38). Dabei ist Gott nicht nur "die Tiefe personaler Beziehungen" od. "die Tiefe aller menschl. Erfahrung im Licht der L.", wie eine "neue Moral" (J.A.T. Robinson) es will; im AT u. im NT geht es um den persönl. Gott, um den persönl. Bundespartner des Volkes Israel, um den Gott, der der Menschen Vater sein will (wenn auch die Analogie der Begriffe nicht übersehen werden darf). "Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, u. du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen u. aus deiner ganzen Seele u. aus deinem ganzen Denken u. aus deiner ganzen Kraft" (Mk 12,29 f; Dtn 6,4 f). "So nun sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel" (Mt 6,9).

Im AT hieß die sittl. Grundforderung an Israel, es solle sich ganz u. ausschließl. Jahwe zuwenden. Das große Gebot im NT verlangt vom Menschen, er solle sich völlig auf Gott einstellen. Nach dem Wort Jesu geht es dabei um das Einssein mit dem Vater u. dem Sohn, die miteinander eins sind, u. um das Einssein der Menschen untereinander im Vater u. im Sohn. In der L. neigt sich der Liebende dem Geliebten zu, will er mit ihm einssein; u. nicht nur mit einem Teil seines Seins u. seiner Kräfte neigt er sich dem Geliebten zu, sondern mit allem, was er ist u. hat. L. hat ihren Sitz im Herzen (verstanden als Mitte od. Kern der Person) od. im Willen (verstanden als Grundkraft der Person, die alles zusammenfaßt).

Ganzpersonale L. sieht auch im Geliebten das personale Du u. bejaht es.


b) Der Mensch kann sich Gott aus verschiedenen Motiven zuwenden (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 1,2 q.26 a.4; 2,2 q.27 a.2).

Er kann dazu durch die Erwägung geführt werden, daß er in Gott das Höchste für sich gewinnt: die höchsten menschl. Werte, die Lebenserfüllung, den eigenen Lebenssinn (vgl. Mk 8,36). Solches Ausschauhalten nach Gott kann als begehrende L. (amor concupiscentiae) bezeichnet werden.

Der Mensch kann zur Zuwendung zu Gott aber auch einfach dadurch bewogen werden, daß ihm aufleuchtet: Gott ist das Du von höchstem Wert ("Gott ist L."). Dieses Sichverlieren an den wunderbaren Gott schließt den Wunsch ein, für ihn etwas zu tun, soweit dies dem Menschen überhaupt mögl. ist. Da dem Menschen Gott sich in Christus eröffnet, wird verständl., daß man sich an Christus verlieren muß, wenn man sich Gott hingeben will: "Wer Vater od. Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer Sohn od. Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mt 10,37). Als Kennzeichen solcher L. zu Gott um Gottes willen können angesehen werden: 1. das Wohlgefallen an Gott u. seiner Vollkommenheit (amor complacentiae), 2. das Verlangen nach Gottes Ehre (amor benevolentiae; "Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden", Mt 6,9 f) u. der Eifer dafür ("Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren", Joh 2,17), 3. die Verherrlichung Gottes durch die Tat nach seinem Willen ("Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten", Joh 14,15), 4. Schmerz u. Trauer über die Sünde, die Gott widerspricht ("Und er ging hinaus u. weinte bitterlich", Lk 22,62).

Gefördert werden beide Arten der L., das Verlangen nach Gott u. das Sichverlieren an ihn, durch das Bedenken der L., die der Mensch von ihm empfängt. Die L. des Menschen erhält so den Zug der Dankbarkeit (danken heißt ja auf empfangene L. mit L. antworten; vgl. I 2 a). Paulus fordert immer wieder zum Dank an Gott auf ("Mit Dank lobsinget Gott in euren Herzen. Und alles, was ihr tut in Wort od. Werk, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, u. danket durch ihn Gott dem Vater", Kol 3,16 f). Der Mensch erreicht darin einen Höhepunkt, wenn er Gott nicht bloß für das dankt, was er von ihm empfangen hat, sondern unabhängig davon dafür, daß Gott in sich so wunderbar ist ("Wir sagen dir Dank, Herr, Gott, du Allherrscher, der da ist u. der da war, daß du deine Macht ergriffen u. die Königsherrschaft angetreten hast", Offb 11,17).

Solche L. ist nicht von vornherein selbstverständl.; sie immer besser zu erwerben ist Lebensaufgabe des Menschen. Zweifellos erfüllt das Gebot der L. vollkommener, wer sich an Gott um Gottes willen verliert. Durch die Jahrhunderte zog sich die Auseinandersetzung darüber, ob vollkommene L. es zuläßt, daß der Mensch auch für sich etwas begehrt. Schon die Kirchenväter betonen, daß der eigentl. Beweggrund der L. nicht der Lohn, den man von Gott empfängt, nicht das eigene Glück sein soll. Augustinus kennzeichnet die rechte L. als "gratis amare" (In Ps 53 en. 10; Ps 55 en. 17; Ps 135 en. 11; Sermo 165,4; Sermo 355,3; PL 36,626.658; 37,1745; 38,905.1469). Später bilden sich zwei Meinungen. Petrus Lombardus u.a. erkennen richtig, daß die L. die Entfaltung u. Beglückung der eigenen Persönlichkeit bringt; der Mensch könne nicht anders als sein Glück wollen; L. bleibe daher auch immer ichbezogen. Bernhard v. Clairvaux, J. Duns Scotus u.a. betonen die ebenfalls richtige Einsicht, daß die L. umso reiner wird, je mehr der Liebende das ichhafte Begehren ausschaltet u. sich in den Geliebten verliert. Theologen wie Anselm v. Canterbury, Bonaventura, Thomas v. Aq. bemühen sich um eine Synthese. Die Auseinandersetzung flammt in der "französischen Schule" der Frömmigkeitslehre wieder auf: Franz v. Sales, Bèrulle, Condren, Olier heben das Element der Selbstvergessenheit in der L. hervor. Die Überspitzung dieses Elementes bis zur Selbstaufgabe, Selbstverachtung, Selbstvernichtung im Quietismus (D 2182-92 2201-68; bes. 2216 f) u. im Jansenismus (D 2307 2313 2444) verfiel der kirchl. Verurteilung. Auf dem Höhepunkt des Streites lehrt Fènelon, zum Wesen der christl. L. gehöre es, Gott um seiner selbst willen unter Ausschluß jedes eigenen Interesses (jeder Hoffnung, die sich auf das eigene Gut richtet) zu lieben. Bossuet dagegen erklärt, es sei unmögl., aus dem Akt der Gottesliebe unsere Beseligung auszuschließen, weil Gott immer notwendig "unser Gut" sei u. als solches geliebt werde. Die Kirche hat die Auffassung Fènelons abgelehnt (D 2351-61 2373); er selbst hat später unterschieden zw. der Lohnsucht, die unbedingt auszuschließen sei, u. dem übernatürl. Verlangen nach dem Heil, das von Gott eingegeben sei, das man daher nicht wirkl. ausschalten, von dem man nur dann u. wann absehen können. Wenn diese Auseinandersetzung auch heute nicht ganz erloschen ist, hat sie doch dadurch gewonnen, daß die Philosophie das Phänomen der L. u. ihre Bedeutung für das personale Werden besser erforscht u. die Exegese die bibl. Botschaft von der L. besser erarbeitet hat. Um der Lösung näher zu kommen, muß man darauf achten, daß Jesus den Menschen dazu anleitet, auf die Erfüllung seines Lebenssinnes bedacht zu sein ("Denn was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, aber sein Leben einzubüßen?", Mk 8,36), daß er ihn aber auch zur Einsicht führt, man könne sein Leben nur gewinnen, wenn man es an den Herrn verliere ("Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen u. um der Heilsbotschaft willen, der wird es retten", Mk 8,35; vgl. Joh 12,25). Das Heil, die Lebenserfüllung ergibt sich von selbst, wenn man sich an den Herrn verliert. Niemandem ist es verwehrt, die eigene Reifung u. Beglückung dankbar festzustellen u. zu wünschen; sie darf aber nicht zur Hauptsache werden, sondern muß dem Sichverlieren an Gott untergeordnet bleiben (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.24 aa. 8 f; q.27 a.3).


2. Wer sich an den Herrn verliert, läßt sich auf den Gott ein, der L. ist. Wenn sein Eingehen echt ist, wird er selbst zum Liebenden im Sinn Gottes, findet die L. Gottes in ihm eine Stätte u. kann sie bleiben (vgl. Joh 15,9 f; 1 Joh 3,17; 4,12.16). "Desh. erleuchtet er [Gott] unseren Verstand u. entflammt uns mit dem Feuer seiner L., damit wir nicht nur ihn selbst lieben, sondern auch alles, was er liebt" (Leo d. Gr., Sermo 12,1; PL 54,169). Augustinus nennt als Wesen, die der Mensch lieben soll, "Gott, sich selbst u. den Nächsten" (De civ. Dei XIX 14; PL 41,642; vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.25 a.12).


a) Das NT fügt an das Gebot der Gottesliebe das der Nächstenliebe: "Das zweite ist dieses: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' Größer als diese ist kein anderes Gebot" (Mk 12,31; vgl. Mt 22,39; Lk 10,27; 1 Joh 3,17; 4,12.20 f). "Jeder, der glaubt, daß Jesus der Christus ist, ist aus Gott gezeugt. Und jeder, der den Erzeuger liebt, liebt auch den von ihm Erzeugten" (1 Joh 5,1). Wenn wir Gott wahrhaft lieben, muß sich unsere L. auch auf den von ihm geliebten eingeborenen Sohn u. auf die von ihm geliebten Kinder Gottes erstrecken (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.25 aa. 1.6.10). Die L., mit der Gott die Menschen liebt, wird so in uns wirksam.


b) Da wir Gottgeliebte sind, liegt es im Sinn der L. Gottes, daß jeder sich selbst annimmt u. bejaht; es gibt eine zulässige u. gebotene Selbstliebe (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.25 aa. 4 f). "Schaut doch, was für eine L. uns der Vater geschenkt hat, daß wir Kinder Gottes genannt werden, u. wir sind es" (1 Joh 3,1).


c) Wenn der Schöpfer all das liebt, was er geschaffen hat (Weish 11,24), sind wir mit ihm nur dann eines Sinnes, wenn wir seine Schöpfung bejahen (vgl. Thomas v. Aq., a.a.O. a.3). Es gibt dann eine sittl. richtige L. zur Welt, die freil. der L. zu Personen nur analog ist (im eigentl. Sinn ist L. das Ja der Person zur Person), wie auch die Hl. Schrift die L. Gottes zum Menschen von seiner L. zur übrigen Schöpfung unterscheidet (vgl. Mt 6,25-34; 10,28-31). "Die Welt, die nach dem Glauben des Christen durch die L. des Schöpfers begründet ist u. erhalten wird, die unter die Knechtschaft der Sünde geraten, von Christus aber, dem Gekreuzigten u. Auferstandenen, durch Brechung der Herrschaft des Bösen befreit wurde; bestimmt, umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluß u. zur Vollendung zu kommen" (GS 2; vgl. 34).


d) Was landläufig L. genannt wird, ist zum Großteil nicht mehr als ein Haben- u. Genießenwollen. Christl. wird L. zum eigenen Ich, zum Mitmenschen u. zur übrigen Schöpfung, soweit sie von der L. Gottes geprägt wird, also L. mit Gott u. in seinem Sinn ist. Solche L. ist in der L. zu Gott verankert u. bringt sie zur Fülle (vgl. Augustinus, De doctr. chr. I 22-29; PL 34,37-40).

Wie das AT fordert auch das NT vom Menschen, er solle in sein Ja zu Gott sein ganzes Leben einbringen; mit anderen Worten, die L. zu Gott solle über alles gehen (vgl. Mt 10,37; Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.26 aa. 2 f). Jede L., die nicht in der Gottes-L. untergebracht werden kann u. eben dadurch diese schmälert, erweist sich als sittl. ungeordnet ("Denn es liebt Dich zu wenig, wer neben Dir ein anderes liebt, das er nicht Deinetwegen liebt", Augustinus, Conf. X 29,40; PL 32,796). Freil., auch für den Menschen, der bereit ist, Gott alles unterzuordnen, bleibt es eine lebenslange Aufgabe, dieses Wollen in allen Schichten seines Seins ("aus deinem ganzen Herzen u. aus deiner ganzen Seele u. aus deiner ganzen Seele u. aus deinem ganzen Denken u. aus ganzer Kraft", Mk 12,30; vgl. Augustinus, De doctr. chr I 22,21; PL 34,27) immer vollkommener zu verwirklichen; christl. Sittlichkeit ist Richtungssittlichkeit.


III. L. ist Gabe u. Aufgabe.


1. Zum christl. Liebenden wird der Mensch dadurch, daß er durch Christus in die L. Gottes aufgenommen wird. Solche L. kann der Mensch nicht von sich aus erwerben, sie muß ihm von Gott gegeben werden; L. ist Gnade. "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt u. euch dazu bestimmt, daß ihr hingeht u. Frucht bringt u. eure Frucht bleibe" (Joh 15,16). "Die L. Gottes ist in unseren Herzen ausgegossen durch den Hl. Geist, der uns geschenkt wurde" (Röm 5,5).

Jesus reicht die L. des Vaters an den Menschen weiter u. will sie in ihm wirksam werden lassen. "Dadurch ist mein Vater verherrlicht, daß ihr viele Frucht bringt u. (so) meine Jünger sein werdet. Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibet in meiner L. Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner L. bleiben, wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe u. in seiner L. bleibe ... Dies trage ich euch auf: Daß ihr einander liebet" (Joh 15,8-10.17; vgl. 17,21.23.26).

Christl. L. gibt es nur in der Nachfolge Christi. Sie wird in dem Menschen, der "von Christus Jesus ergriffen" wird (Phil 3,12), in dem Christus Gestalt gewinnt (vgl. Gal 4,19). Nach Augustinus steigt alle Caritas von Gott als Gnade herab u. kehrt in der Gottes- u. Nächsten-L. zu ihrem Ursprung zurück. Kennzeichen des Bürgers des Gottesstaates ist "eine L., die sich des gemeinsamen u. wandellosen Gutes freut u. aus vielen ein einziges Herz macht" (De civ. Dei XV 3; PL 41,440). "Solche L. gewährt nur Gott, u. zwar als freies Geschenk u. allein durch den Mittler zw. Gott u. den Menschen, den Menschen Christus Jesus" (ebd. XXI 16; PL 41,730).

Nicht jede Zuneigung von Mensch zu Mensch ist christl. L. Eine natürl. L., die noch nicht das Spezifische der Agape hat, kann diese doch vorbereiten, kann sich in sie als das Größere hineinnehmen u. sich von ihr erfüllen lassen. Konkret läßt sich freil. schwer entscheiden, wie weit nicht doch in einer anscheinend natürl. edlen Zuneigung schon etwas von christl. Agape da ist.


a) Das Ergriffenwerden von der L. Christi, die Eingießeung der L. durch den Hl. Geist bewirkt wahre Heiligung (Verbindung des Menschen mit Gott; das Heilige). Luther sah den Menschen vorwiegend als Sünder vor Gott; seine Rettung liege darin, daß er sich in vertrauendem Glauben der erbarmenden L. Gottes bedingungslos überlasse; eine Heiligkeit des Menschen, um derentwillen sich Gott diesem zuneige, auch wenn sie durch die eingegossene Caritas begründet wäre, hält Luther für eine Beeinträchtigung des unbegreifl. freien Erbarmens Gottes (Weimarer Ausgabe 36,423). Das NT zeigt aber echte Heiligung des Menschen durch gnadenhaften Mitvollzug der L. Gottes ("Wenn ihr in mir bleibt ... Bleibet in meiner L. Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner L. bleiben", Joh 15,7.9 f). Das Konz. v. Trient legt daher dar, echte Rechtfertigung beginne mit einer anfangenden L. zu Gott, die dieser selbst durch seine anregende u. unterstützende Gnade ermögliche ("diligere incipiunt", D 1526; vgl. 1525). Die Rechtfertigung selbst erblickt das Konzil nicht in einer bloßen Anrechnung der Gerechtigkeit Christi, einer bloßen Vergebung der Sünden, einer bloßen Gunst Gottes, die am Menschen selbst nichts ändere, sondern im inneren Erfaßtwerden des Menschen von der Gnade u. L., die durch den Hl. Geist in die Herzen ausgegossen wird (D 1530 1561).


b) Für das Erfaßtwerden durch die L. Gottes u. das Bleiben in ihr hat die theol. Reflexion den Begriff der göttl. Tugend der L. ausgebildet (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.23 aa. 2 f; q.24 a.2; D 1530 1561).

Dieses Bleiben in der göttl. L. gehört wesentl. zum Leben der Gotteskindschaft. Verloren geht es durch jeden ernsten Gegensatz zu Gott (Todsünde). "Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner L. bleiben" (Joh 15,10). Solange der Mensch im Gegensatz verharrt, ist er nicht in jener inneren Einheit mit Gott, in der die L. besteht.


c) L. ist das Ziel des Glaubens. Im Glauben erklärt sich der Mensch bereit, das in der Offenbarung gemachte Angebot Gottes anzunehmen. Das Angebot lautet: Der Mensch dürfe u. solle Mitliebender mit Gott werden. Der Glaube muß in seiner Vollwirklichkeit zum "Glauben, der durch die L. wirksam ist" (Gal 5,6), werden. Umgekehrt setzt die L. den Glauben voraus ("Wie kann Gott lieben, wer nicht an Gott glaubt?" Augustinus, Sermo 90,8; vgl. In Ps 67 en. 41; PL 38,564; 36,838). Im Werdegang des Christen mögen Glaube u. Hoffnung zeitweilig überwiegen, den Vorrang an Würde u. bleibende Dauer hat die L. (vgl. 1 Kor 13,13; D 1001).


2. Agape ist zugleich Gabe u. sittl. Aufgabe für den Menschen. Paulus ist sich bewußt, daß er von Christus ergriffen wurde u. nun die Aufgabe hat, selbst Christus zu ergreifen (Phil 3, 13 f). Er ruft auch andere dazu auf, sich die L. Christi anzueignen u. sich in ihr durch die freie Tat zu bewähren (vgl. 2 Kor 8,3 f.6 f; Phlm 13 f): "Jeder gebe, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat, nicht in Verdrossenheit od. aus Zwang; denn 'einen fröhl. Geber hat Gott lieb'" (2 Kor 9,7). "Ich habe euch erwählt u. euch dazu bestimmt, daß ihr hingeht u. Frucht bringt u. eure Frucht bleibe ... Dies trage ich euch auf: daß ihr einander liebet" (Joh 15,16 f).


a) Nach Gottes Absicht soll der Mensch zum Liebenden werden; in der L. liegt also die wesentl. Bestimmung des Menschen. Der Mensch erfüllt diese u. steht damit in der Heilswirklichkeit, soweit er die L. zu Gott ("Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort bewahren, u. mein Vater wird ihn lieben, u. wir werden kommen u. Wohnung bei ihm nehmen", Joh 14,23) u. die L. Gottes ("Jeder, der liebt, ist aus Gott gezeugt", 1 Joh 4,7) hat. Man kann darum die L. die allumfassende Tugend schlechthin nennen, wie es Augustinus tut (De mor. eccl. cath. I 15.25; PL 32,1322; vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.23 a.1). Der Mensch ist christl., soweit er liebt ("Dilige, est quod vis fac", Augustinus, In 1 Io tr. 7,8; PL 35,2033).

Das NT bezeichnet das Gebot der Agape als die dringlichste sittl. Forderung (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 1,2 q.62; 2,2 q.23 aa. 6-8). Rein äußerl. läßt sich die Wichtigkeit der Agape schon daran erkennen, daß der Ausdruck im NT häufig vorkommt, bes. bei Johannes (das Verbum agapan 27mal im Joh-Ev, 30mal im 1 Joh; das Substantiv agape 18mal im 1 Joh). Jesus nennt das Gebot der Gottes-L. das größte u. erste Gebot (Mt 22,38). Dem Gesetzeslehrer, der gemäß dem AT sagt, die Erfüllung des L.sgebotes sei zur Erlangung des ewigen Lebens notwendig, bestätigt Jesus: "Tue das, u. du wirst leben" (Lk 10,25-28). Von den Geboten der Gottes- u. der Nächsten-L. sagt er: "Größer als diese ist kein anderes Gebot" (Mk 12,31). "An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz u. die Propheten" (Mt 22,40). "Die L. ist die Vollendung des Gesetzes" (Röm 13,10). Alle Leistungen des Menschen gelten nichts, wenn es ihm an der L. fehlt (1 Kor 13,1-3).

Die Kirche hatte in den ersten Jahrhunderten mit dem Gnostizismus zu ringen, der die Erkenntnis (Gnosis) als Vollendung des Menschen hinstellte. Nach dem Christentum liegt die Vollendung des Menschen in der L. ("Und wenn ich Prophetengabe u. alle Geheimnisse weiß u. alle Erkenntnis besitze ..., habe aber die L. nicht, so bin ich nichts", 1 Kor 13,2).


b) Das Gebot der L. fordert den ganzen Menschen, all seine Lebensbereiche, seine ganze Lebenszeit (vgl. Mk 12,30). Damit ist dem Menschen die Richtung gewiesen, die er immer einhalten soll, u. die Ausrichtung, die er sich immer vollkommener zu eigen machen soll. Solche L. zu erwerben ist die sittl. Aufgabe des Menschen schlechthin. Zweifellos gehört zu diesem Einsatz des ganzen Menschen auf Gott hin die innere Hingabe an Gott ("aus deinem ganzen Herzen", Mk 12,30; caritas affectiva), aber auch das Gesamtverhalten nach dem Willen Gottes (c. effectiva), das Erfüllen der Gebote (Joh 14,15.21.23 f; 15,10; 1 Joh 5,3; 2 Joh 6) des Gottes, der L. ist (1 Joh 4,8.16) u. der durch seine Gebote zur L. anleitet (Mt 22,40). Wer dem Menschen das Recht zusprechen will, irgendeinen Lebensbereich von der Agape auszunehmen, läßt sich von einem anderen als dem christl. Menschenbild leiten (auch die leib-seelische geschlechtl. L. ist vom Menschen in die Agape hineinzunehmen: sie kann u. soll von Agape erfüllt werden u. deren Verleiblichung u. Auswirkung werden u. so aus Trieb- u. Ichverfallenheit befreit u. vollendet werden).


c) Zur Lebenshaltung (göttl. Tugend) der Agape kommt der Mensch, wenn er von der göttl. L. ergriffen wird u. sich von ihr ergreifen läßt. Wenn Gott den Menschen auch u. bes. auf seinem Heilsweg als Wesen freier Entscheidung achtet, kommt es für die L. als das Wesentliche des menschl. Heiles auf das Entscheiden des Menschen an, also darauf, daß er, von der Gnade erfaßt, die L. erweckt. Mit Recht wurde von der Kirche die Auffassung abgelehnt, eine solche Entscheidung sei nie notwendig (D 2021). Wer den Menschen kennt, weiß auch, daß eine einmalige Bereitschaftserklärung zur Entfaltung eines vollen Lebens der L. nicht genügt, daß vielmehr die öftere Bekräftigung u. Vertiefung der Entscheidung notwendig ist (vgl. D 2105-07; Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.24 aa. 4.6.10). Augustinus bedauert, erst spät damit begonnen zu haben: "Spät habe ich dich geliebt, du Schönheit, alt u. ewig neu, spät habe ich dich geliebt" (Conf. X 27,38; PL 32,795).


IV. Wenn der Sinn der gesamten sittl. Ordnung die Verwirklichung der L. ist (vgl. Mt 22,40; Röm 13,10), verstößt der Mensch durch jede Verletzung dieser Ordnung zumindest material auch gegen die L.


1. Die sittl. Grundaufgabe kann man aus Trägheit vernachlässigen, aus Scheu vor der Mühe, die die Pflege des Lebens mit Gott u. in seiner L. verursachen würde. Der Träge tut so, als ob Gott nicht das höchste personale Gut wäre, das seinen Einsatz wert ist. Im praktischen Verhalten läßt er es an der höchsten Einschätzung Gottes fehlen, wenn er sich vielleicht auch nicht ausdrückl. von ihm lossagt.


2. Stärker handelt der L. entgegen, wer sich in einem wichtigen Punkt bewußt dem L.sauftrag Gottes versagt, d.h. eine Todsünde begeht, u. dadurch die L.sverbindung mit Gott verliert (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.24 aa. 11 f). "Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten", Joh 14,15).


3. Am stärksten richtet sich gegen die (Gottes-) L. der (Gottes-) Haß.


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