Mäßigung
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 1024 f


1. Die M. (temperantia), eine der vier Kardinaltugenden (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.141 a.7), kann als selbständige Tugend, die als Gattung verschiedene Arten umfaßt, od. der als charakteristischer Tugend sich ähnliche anschließen, od. als notwendige Eigenschaft jeder anderen Tugend verstanden werden (vgl. Thomas v. Aq., a.a.O., a.2; q.143).

Den Bereich der selbständigen Tugend der M. machen jene Strebungen aus, die auf den Bestand des einzelnen u. des Menschengeschlechtes hinzielen (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.141 aa. 3-5; q.143): etwa das Verlangen nach Speise u. Trank (Nahrungsaufnahme), nach gesellschaftl. Geltung (Ehre), nach Wissen (Bildung), nach Gerechtigkeit; der Geschlechtstrieb.


2. All diese Strebungen vertreten berechtigte Anliegen (vgl. Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.141 a.6), sind aber in Gefahr, um der mit ihrer Erfüllung verbundenen Lust willen überhandzunehmen u. damit die Anliegen selbst zu verfehlen (vgl. Begierlichkeit, sinnl. Regungen, Erbsünde). Wie es unrichtig ist, den Strebungen die Erfüllung schlechthin zu versagen, darf man sie auch nicht einfach wuchern lassen. Die M. steuert unter der Leitung der Klugheit den Übertreibungen des Zuviel u. des Zuwenig u. fügt so diese Strebungen in die von der Vernunft als richtig erkannte sittl. Ordnung ein. So betätigt sie sich auf dem Gebiet des Essens u. Trinkens als Mäßigkeit, auf dem Gebiet des Geltens als Demut, im Wissenserwerb klug auswählend, in zuchtvollem Einsatz für das Recht, im geschlechtl. Bereich als Keuschheit.


3. Der Mensch verhält sich sittl. unrichtig, wenn er das rechte Maß durch ein Zuwenig nicht erreicht od. durch ein Zuviel überschreitet (vgl. die angeführten Teilgebiete der M.; Thomas v. Aq., S.Th. 2,2 q.142).


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