Tier
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 1576-1579


I. Trotz vieler Ähnlichkeiten im Körperlichen u. in Verhaltensweisen ist der Mensch durch seine geistbegabte Natur vom T. (auch in dessen höheren Formen) abgehoben. Eben durch seine Natur ist er der Sittlichkeit, d.h. der verantwortl. Selbstgestaltung seines Lebens, fähig, die dem T. fehlt (vgl. die Gottebenbildlichkeit des Menschen u. sein "Herrschen" über die übrigen Lebewesen). Sinnvollerweise kann man daher das T. für sein Verhalten nicht verantwortl. machen.


II. In der sittl. Aufgabe des Menschen spielt das T. eine Rolle.


1. Der Mensch hat seine wesentl. Bestimmung, zum Liebenden mit dem liebenden Gott zu werden, auch gegenüber der von Gott geschaffenen u. geliebten Welt u. in ihr gegenüber dem T. als dem Wesen, das (in seinen höheren Formen) ihm am nächsten kommt, zu erfüllen. Wiederholt spricht die Hl. Schrift von der liebenden Sorge Gottes für die T.e. "Alle Wesen warten auf dich, daß du Speise ihnen gebest zur rechten Zeit. Du spendest ihnen, u. sie sammeln es ein, du öffnest deine Hand, u. sie werden gesättigt mit Gutem" (Ps 103 [104], 28). "Jahwe ist gut gegen alle, voll Erbarmen gegen alles, was er geschaffen" (Ps 144 [145], 9). "Wer gibt dem Raben seine Nahrung, wenn seine Jungen schreien zu Gott um Hilfe, u. wenn sie sich aufbäumen ohne Fraß?" (Ijob 38,41). Nicht nur mit den Menschen von Ninive hat Gott Mitleid, sondern auch mit dem Vieh, das dort lebt (Jona 4,11). "Schaut auf die Vögel des Himmels: sie säen nicht, sie ernten nicht u. sammeln nicht in die Scheunen, u. euer himmlischer Vater ernährt sie" (Mt 6,26). "Sind nicht zwei Sperlinge feil für ein paar Pfennige? Und doch fällt nicht einer von ihnen zur Erde ohne eueren Vater" (Mt 10,29).


2. Die vom Menschen zu verwirklichende Liebe zum T. darf nicht mißverstanden werden. Sie steht nur in Analogie zur Nächstenliebe, die von Person zu Person geht; dem T. fehlt der Personcharakter.


a) Mit der Liebe zum T. verträgt es sich daher, daß der Mensch das T. so weit in seinen Dienst nimmt, wie er es mit dem Mitmenschen nie tun dürfte.

Die aus der Notwendigkeit entspringende natürl. Überzeugung, daß unter den vorhandenen Wesen die an Sein unvollkommeneren für die vollkommeneren da sind, daß etwa die Pflanzen den T.en zu ihrer Erhaltung dienen sollen u. beide den Menschen, wird von der Offenbarung bestätigt: "Alles, was sich regt u. lebt, diene euch zur Nahrung" (Gen 9,3; vgl. 1,28 f).

Ein Daseinssinn des T.es ist also der Dienst am Menschen ("Es ist fast einmütige Auffassung der Gläubigen u. der Nichtgläubigen, daß alles auf Erden auf den Menschen als seinen Mittel- u. Höhepunkt hinzuordnen ist", 2. Vat. Konz., GS 12); das Tier trägt nicht die Würde der Person, deren Wert in ihr selbst liegt.

In dieser Hinordnung des T.es auf den Menschen läßt sich nicht nur seine Verwendung, sondern auch seine Tötung rechtfertigen, wenn sie mit der wesentl. Bestimmung des Menschen in Einklang steht, näml. wenn dadurch für den Menschen ein Nutzen erzielt od. ein Schaden verhütet wird od. wenn übermäßiges Leiden des T.es selbst (das nicht Person ist u. daher nicht wie der Mensch durch Leiden personal reifen kann) verhindert wird. Jesus tadelt an seinen Jünger nicht, daß sie sich vom Fischfang nähren.

Der Liebe zum T. widerspricht aber die sinnlose Tötung. Ebenso steht T.quälerei (Zufügen von Schmerzen ohne rechtfertigenden Grund) im Widerspruch zu der dem Menschen aufgetragenen Liebe.

Der T.quäler versagt nicht nur gegenüber dem T., sondern kann durch Betätigung der Grausamkeit u. Verhärtung in ihr auch seinen Mitmenschen zur Gefahr werden. Die Hl. Schrift spricht mißbilligend von der Grausamkeit der Frevler gegenüber dem Vieh (Spr 12,10). Arge Formen der T.quälerei sind zweifellos als schwere sittl. Verfehlungen anzusehen.


b) Anderseits kann eine Liebe zu T., die die Wertordnung verkehrt (das T. über den Menschen stellt u. dem Menschen Notwendiges entzieht, um es dem T. zu geben), nicht gebilligt werden. "Es ist nicht recht, das Brot der Kinder zu nehmen u. es den Hündlein hinzuwerfen" (Mt 15,26).


c) Die Bestrebungen der T.schutzvereine sind zu fördern, wenn sie nicht in dieser Weise entarten.


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